Am Sonntag den
09. Oktober 2011 waren wir am Mittag auf einem wunderschönen
Herbstspaziergang. Henry ist rumgehüpft, gesprungen, hat Balli
apportiert, es war einfach wie immer.
Zuhause um ca 19 Uhr sagte Michi zu mir, er findet Henry schaut komisch.
Dies war aber nur einen kurzen Moment. Etwas später wollte Henry zu mir
aufs Sofa, ich musste ihn auffangen, da er den Absprung total
verschätzte. Dann schlief er. Als ich danach mit ihm raus ging zum Pipi
machen, fiel mir auf, dass er das eine Bein weit nach hinten rausstreckt
und sich so tief runterbückt, dass der Bauch fast der Boden berührte.
Dann lief er grosse Kreise. Wir gingen rein und Henry wollte erneut aufs
Sofa und hat die Distanz wieder verschätzt. Langsam wurde es uns immer
unwohler. Was hat der Kleine Mann? Man konnte richtig zuschauen, die
Symptome wurden von ½ Stunde zu ½ Stunde immer schlimmer. Er lief immer
wieder Kreise, immer links rum. Wir gingen ins Bett…
Am Montag den 10. Oktober 2011 um 06.00 Uhr
morgens erbricht Henry, ich merkte, er kann sich kaum auf den Beinen
halten und fällt immer wieder auf die linke Seite. Als wir ihn die
Treppe runtertragen krümmt er sich so extrem auf die linke Seite, dass
man mühe hatte ihn zu halten. Wir gingen zum Tierarzt. Wir haben ihn
dann wieder mit nach Hause genommen mit der Abmachung, wenn es nicht
besser wird nochmals zu kommen.
Am Tag hatten wir das Gefühl, dass es etwas besser geht, Henry konnte
sich schütteln ohne umzufallen, lief im Garten einige Schritte und er
hat gegessen.
Das er den ganzen Tag nicht trinkt machte uns dann aber auch wieder
sorgen. Er bekam zum Abend hin einen ganz starren Blick, er hat die
Dinge gar nicht angesehen, schaute an den Gegenständen vorbei, es sah
aus als sei er Blind. Das Abendessen hat er, mit der linken Seite an der
Wand angelehnt, zu sich genommen. Nun war der linksdrang wieder so
stark, dass er es nicht schaffte eine rechts Kurve zu gehen. Auch beim
Pinkeln fällt er um. Wenn er sich hinlegte hat er den Kopf so fest
gedreht, dass dieser an der linken Schulter „angelehnt“ war. Nun kam der
Zeitpunkt wo wir in der Tierklinik in Zürich angerufen haben.
Wir durften gleich hin er bekam eine Infusion und musste da bleiben.
In der Nacht auf Dienstag hat er in der
Klinik nochmals erbrochen. Kreislauf, Temperatur alles war in Ordnung,
auch die normalen Blutergebnisse waren top. Er hatte „nur“ diese starken
neurologischen Störungen.
Henry wurde als erstes zum Ohrenarzt gebracht, er hat keine Entzündung
in den Ohren. Das es am Gleichgewichtsorgan liegen könnte wurde erst mal
ausgeschlossen.
Henry kam auf die Neurologie, da meinte ein Arzt, dass er vor kurzem
einen Hund hatte, der ähnliche Symptome aufwies, die durch Parasiten
ausgelöst wurden. Da Henry ja bekanntlich Nacktschnecken gefressen hat.
War das naheliegend.
Am Mittwoch wurde ein Toraxröntgen gemacht
und Henry musste ins CT, wo sie die Narkose auch gleich nutzen um
Hirnflüssigkeit zu entnehmen.
Auf dem Röntgenbild sah man eine Veränderung der Lunge und in der
Hirnflüssigkeit war der Wert zu hoch, der auf Parasiten und
Toxosplasmose schliessen könnte. Also wurde angefangen Henry auf
Parasiten zu behandeln. Weiteres Blut wurde eingeschickt um auf diverse
Krankheiten wie Staube, Toxosplasmose, Neosperose, Lungenwürmer zu
testen. Das CT war unauffällig.
Die nächsten zwei Tagen brachten trotz
Behandlung keine grossartige Besserung der neurologischen Störungen. Die
Ärztin hofft auf das Blutergebnis, aber jeden Tag an dem keine
Besserung da war merkte ich mehr Verzweiflung in ihrer Stimme. Sie geben
ihm nun noch Cortison, falls es doch nicht Toxosplasmose oder die
Lungenwürmer sind.
Die Nächte waren für uns jeweils unruhig und lang und das Handy mein stetiger Begleiter.
Am Samstag den 15. Oktober durften wir Henry das erste mal besuchen. Er
wurde mit der Krankenbarre ins Besucherzimmer gefahren, als er uns hörte
hat er mit der Schwanzspitze leicht gewedelt. Die Augen fallen ihm
immer wieder zu, er schläft sehr viel. Er liegt den ganzen Besuch über
auf der linken Seite. Ab nun gingen wir Henry jeden Tag für eine halbe
Stunde besuchen.
Am Dienstag 18. Oktober, fast eine Woche später!, kommt endlich das Blutergebnis. Alle Test sind negativ….
Nun haben wir eine Diagnose: Idiopathische eosinophile Enzephalitis, oder zu Deutsch: Entzündung des Gehirn unbekannter Ursache.
In diesem Moment brach für uns eine Welt zusammen, den das heisst, wir
können alle Behandlungen die er bis jetzt hatte stoppen. Auch auf das
Cortison hat er nicht angesprochen, was uns grosse Sorgen bereitete. Nun
gibt es nur noch eine Möglichkeit, dem kleinen Mann zu helfen:
Chemotherapie. Wenn das bis Montag nicht anschlägt wird er die Reise zu
Ewok machen müssen. Wir konnten es nicht fassen, dass wir wieder im
Oktober einen Hund gehen lassen müssen. Am 22. Oktober ist der erste
Todestag von Ewok, dass kann nicht sein, das darf nicht sein!
Am Mittwoch dem 19. Oktober bekommt Henry die Chemotherapie. Das ist jeweils eine Spritze am Morgen und am Abend auf zwei folgende Tagen. Als wir ihn am Abend besuchten wunderten wir uns, kann es sein, dass die Therapie so schnell anschlägt? Er hat zwei-dreimal für einige Sekunden den Kopf gehebt und er hört uns ersichtlich zu. Er versucht die Augen dahin zu bewegen wo er die Stimme wahrnimmt. Henry liegt aber noch immer und steht nicht auf.
Am nächsten Tag trauten wir unseren Augen nicht: Henry läuft das erste mal in den Besucherraum! Uns kamen die Tränen…er braucht noch viel Unterstützung und alles ist sehr schwankend, doch er läuft. Der Kopf ist noch immer sehr schief und sein Blick ist noch immer nicht fixierend auf etwas.
Am Freitag ist die Ärztin erfreut über die Verbesserung des Zustandes von Henry. Sie meint, wenn Henry genügend trinkt und noch besser steht dann darf er nach Hause. Nach Hause…wer hätte das vor ein paar Tagen noch gedacht! Nun kam ein weiterer Schritt auf uns zu, die Infusion wird über das Wochenende gezogen und Henry muss wieder trinken.
Am Samstag den 22. Oktober durften wir mit
Henry das erste mal raus aufs Klinikareal. Das Gefühl war
unbeschreiblich, wir können mit unserem Hund raus gehen! Die Infusion
ist weg und Henry trink nur wenig. Der Kopf hat noch rechte
Schiefhaltung und er lässt diesen hängen. Der Gang ist noch sehr
unsicher, doch er fällt nicht mehr um wenn er Pinkeln muss.
Am nächsten Tag läuft Henry schon sicherer auf dem Areal, ist noch etwas aphatisch, kann aber einen Randstein mühelos bezwingen. Henry trinkt wenn wir ihm Wasser anbieten.
Am Montag den 24. Oktober, zwei Wochen nach
der Einlieferung, klingelt wie gewohnt am Morgen das Telefon. Ich hörte
eine fröhliche Stimme: „Guten Tag Frau Baumann, Henry möchte nach
Hause.“ Nach zwei schlaflosen Wochen und eine Berg und Talfahrt der
Gefühle, Henry darf nach Hause. Am späten Mittag fuhren wir nach Zürich
um Henry abzuholen. Es zeigen sich von gestern auf heute schon wieder
Verbesserungen, im Grunde ganz kleine Fortschritte, doch für uns riesen
grosse!
Zuhause angekommen schaut sich Henry um, findet hier liegt ja nichts rum
das ist langweilig und fängt an seine Spielzeugkiste auszuräumen. Alles
in Zeitlupe und mit noch sehr unsicherem, schwankenden Gang. Die Freude
ist gross, wir hätten nie gedacht das er sich schon für die Spielzeuge
interessiert. Was noch nicht geht ist hochschauen und schnelle
Bewegungen unsererseits verunsichern ihn sehr.
Am Dienstag Abend merkte ich, wie die Kopfschiefhaltung plötzlich weniger wird, man kann nun schon fast zusehen wie alles wieder verschwindet. Henry legt sich am Abend ins Bett, jedoch nicht mehr so klein zusammengerollt wie gestern und heute, sondern schön ausgestreckt!
Donnerstag 27. Oktober, Henry kann mühelos hochschauen ohne ins Schwanken zu kommen. Sein Blick normalisiert sich langsam, er schaut uns zwischendurch wieder an und nicht mehr an uns vorbei. Henry schläft immer häufiger auf der rechten Seite.
Henry braucht noch viel Schlaf, er hat immer wieder ganz tiefe Tiefschlafphasen. Einzig was er noch nicht darf sind Kontakte mit anderen Hunden. Das Immunsystem ist noch sehr geschwächt und was wir nun gar nicht brauchen können wäre irgend eine zusätzliche Infektion. Wir stellten uns darauf ein, dass wir das Stubenrein wieder von vorn beginnen müssen, da er in der ersten Woche in der Klinik immer im liegen sich vollgepisselt hat. Aber nichts, Henry ist noch immer Stubenrein! Süss ist, er hat noch alle seine Macken und Gewohnheiten. Es ist Henry wie er vor diesen zwei Wochen war, jedoch einfach noch etwas langsamer.
Henry war zwei Wochen auf der
Intensivstation, dort wurde er rund um die Uhr bewacht. Ich denke unser
Glück war, dass Henry jung ist und ein gesundes Herz hat. Mit Kreislauf,
Herz und Fieber hatte er nie Probleme. Er machte wohl an einzelnen
Tagen etwas Temperatur, aber das kam wohl vom Muskelzittern. Henry hatte
ausser den neurologischen Störungen keine weiteren Symptome.
Er bekam Physiotherapie, da er sich ja selbst nicht mehr bewegte und Akupunktur um die Verkrampfungen zu lösen.
Zur Prognose, wir können leider noch nicht
sagen das Henry über dem Berg ist. Nun kommt es drauf an, wie er
reagiert wenn wir das Cortison, welches er nun noch bekommt,
ausschleichen. Dies versuchen wir in zwei Wochen. Dann geht die
Chemotherapie weiter, in vier Wochen wird nochmals gespritzt. Es ist
noch unklar ob Henry jemals ohne Medikamente leben kann. Es gibt drei
verschiedene Erfahrungen, bei den einen Hunden kann man die Therapie
langsam ausschleichen lassen und die bekommen die Entzündung nie wieder,
die andere Gruppe braucht ständig Medikamente, und die einen überleben
diese Gehirnentzündung gar nicht.
Wie sich das alles nun entwickelt bleibt abzuwarten. Nun hoffen wir
einfach darauf, dass es weiterhin Bergauf geht und es Henry gut geht.
Update 07. November 2011
Am 28. Oktober machen wir unser erster 10min Ausflug aufs Feld. So hat Henry mal wieder was anderes zu schnuppern. An der Leine läuft er ganz langsam, umso mehr hat uns erstaunt, dass der kleine Mann im Freilauf voraus läuft und sogar kleine Rennversuche machte. Aber seine Hinterbeine machen das noch nicht wirklich mit.
01. November, Henry schwankt nur noch selten, nur bei schnellen Bewegungen unsererseits merkt man das ihn das noch verunsichert. Er trabt beim Freilauf schön vorraus, die Kopfhaltung ist wieder ganz normal. Ja und unser bekennender Rückenschläfer schläft seit zwei Nächten wieder auf dem Rücken! Die Spielsachen werden stehts dorthin getragen wo er schlafen möchte. Und er trinkt immer besser, Anfangs letzter Woche hatte ich echt mühe ihn zum trinken zu bringen. Henry hat wahnsinnigen Hunger…das wird wohl vom Cortison kommen.Was noch auffallend ist, wenn er Kot absetzt oder Pinkelt schaut er
immer nach hinten, als ob er nicht draus kommt was da passiert. Gestern
hab ich ihn Bürsten wollen und auch da, wenn ich mit der Bürste im
letzten Rückenteil und Po drangekommen bin reagierte er komisch. Auch
das Sitzen ist noch etwas verrenkt. Es scheint, dass die Wahrnehmung zum
hinteren Köperteil noch gestört ist.
Henry schläft nach wie vor noch viel, wird wohl vorallem von den
Medikamenten kommen. Wir merken, seine Kondition wird immer besser.
Henry wird von Tag zu Tag frecher! Er klaut zum Beispiel die Küchenrolle vom Wohnzimmertisch, oder wenn ich im Garten das Laub zusammen nehme meine Handschuhe! Das wäre vor ein paar Tagen noch unvorstellbar gewesen.
07. November, seit zwei Tagen weckt Henry uns am Morgen wieder mit
sanften Küssen ins Gesicht. Wenn man mit ihm redet wedelt er wieder mit
der Rute, auch wenn Besuch kommt werden die wieder freudig Begrüsst.
Grosse Freude hat er momentan am Apportieren und an Suchspiele. Vorallem
macht er im Moment alles für ein Leckerchen.
Den hinteren Körperteil nimmt er noch immer nicht so wahr, doch
unterdessen kann er wieder aufs Sofa hochspringen – runter wird er
getragen. Wir versuchen mit Massagen die Wahrnehmung zu fördern. Ab
Morgen wird er noch Homöopathisch unterstützt. Wir hoffen so das
Immunsystem etwas stärken zu können.
Update 30. November 2011
Henry geht es soweit sehr gut. Auf den Spaziergängen merkt man ihm seine Krankheit gar nicht an. Kaum ist er von der Leine heisst es rennen, rennen, rennen. Seine Lieblingsbeschäftiungen sind suchen und apportieren. Zuhause ist er ein ruhiger Hausgenosse, der nach kurzen Schlafphasen uns immer wieder zum spielen auffordert. Es gibt Tagen, an denen er schneller Erschöpft ist. Wenn er Kot absetzt oder Pinkelt schaut er nicht mehr nach Hinten. Auch die Reflexe an den Hinterläufen ist wieder da.
Henry bekommt noch immer Cortison (Spiricort 20mg) in hoher Dosis (25mg), welche im Moment noch nicht reduziert wird. Da Henry in der Klinik kleine Krampfanfälle hatte, bekommt er noch ein Antiepileptikum (Keppra 500mg). Dieses durften wir letzte Woche reduzieren. Die Klinik meint, dass die Krampfanfälle durch die Entzündung im Gehirn ausgelöst wurden. Wenn wir die Entzündung nun im Griff haben sollte er keine Probleme mit der Epilepsie haben. Wir hoffen nun fest, dass wird das Antiepileptikum ohne Zwischenfälle ausschleichen können. Am 24./25. November haben wir die zweite Chemotherapie (Cytarabin) hinter uns gebracht. Am Tag darauf hatte er am Morgen wieder vermehrtes Muskelzittern, doch gegen Mittag war schon nichts mehr anzumerken.
Henry geht es sehr gut! Man merkt von den Strapazen nichts mehr an.
Und je mehr wir das Cortison reduzieren können umso mehr Energie hat er.
Unterdessen geht er drei-viermal die Woche mit Michi zur Arbeit und
macht seinen Job als Kundenbegrüsser hervorragend. Wir haben angefangen
zu Fährten und Hundekontakte lassen wir nun immer mehr gelten.
Wir sind nun mit dem Cortison auf 15mg. Alle vier Wochen können wir um 5mg reduzieren und wenn alles nach Plan läuft ist er in 12 Wochen Cortisonfrei! Das Antiepileptikum dürfen wir am 19. Januar ein weiteres mal reduzieren, so dass er nur noch 1/4 Tbl am Morgen erhält und in vier Wochen ganz abgesetzt wird.
Update 18.Juni 2012
Ich hab erfreuliches zu Berichten, seit 04.Mai 2012 ist Henry
Cortisonfrei und es geht ihm super! Seit er kein Cortison mehr hat geht
es ihm deutlich besser, er ist total fit und sein Immunsystem kann nun
gegen kleine Dinge selber „Hand anlegen“.
Seit wir das Cortison gestoppt haben ist innert kurzer Zeit das
Lefzenekzem verheilt, ohne das wir noch irgendwas drauf getan haben
(Salben und Shampoos haben nichts genützt).
Die letzte Chemo hatte Henry Mitte April, wir werden keine weitere
Chemobehandlung machen. Henry wird seit ca drei Wochen Homoöpathisch
Unterstützt. Henry ist Hinten immer noch etwas verzögert oder macht ab
und zu einen Schwank. Unser Homöopath meint das könne noch einige Monate
dauern bis das wieder ganz da ist, aber das kriegen wir hin.
Momentan verliert er sehr viel Deckhaar. Der Bauch war ja schon länger kahl, doch da kommt unterdessen einen schönen Haarflaum! Also sind wir zuversichtlich, dass er irgendwann auch ein schönes Haarkleid mit sich rumtragen darf.
Leider mussten wir den Hundekontakt zwischenzeitlich wieder etwas mit Vorsicht geniessen, die meisten Rüden kamen jeweils bellend/knurrend auf Henry zu und/oder wollten ihn ständig besteigen. So haben wir Hundekontakte wieder etwas gemieden. Aber auch das haben wir überstanden, und er macht es mit den anderen Hunden super!
Nun hoffe ich lange Zeit hier keinen Eintrag mehr machen zu müssen. Wir bedanken uns bei allen die Daumen gedrückt haben für Henry; vielen Dank!
© Sabrina Baumann 2011
Unser erster „Ausflug“ auf Klinikareal nach 12 Tagen Intensivstation
beim Zerrspielen merkt man das Henry von Tag zu Tag mehr Kraft hat
Zaghaftes Hochschauen
Henrys Muskeln sind stark abgebaut
Einen Monat später
© Sabrina Baumann 2021