Kastration

Eine Kastration darf keinesfalls ein schneller Entschluss sein, sondern muss gut überlegt werden, da sie nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Es stellt sich die Frage, ob es dem Hund etwas bringt oder ob eventuell mit ihm gezüchtet werden will oder nicht.

Das Thema hat uns lange beschäftigt. Wir haben viel diskutiert, mit Bekannten und Hundebesitzern. Es gab viele verschiedenen Meinungen und uns wurde bald klar, dass die Entscheidung ganz allein bei uns liegen würde.

Wie alles begann

Mit knapp zwei Jahren fing Ewok an, Hündinnen zu besteigen und nicht mehr mit ihnen zu spielen. Für ihn galten Verbot oder Mahnungen unsererseits nicht mehr. Wir entschuldigten die Angelegenheit als Pubertätsphase, die bald vorüber sein würde. Aber Ewok dachte überhaupt nicht daran, sondern „erweiterte sein Gebiet“ noch auf kastrierte Rüden.

Die Arbeit mit ihm zusammen wurde zusehends schwieriger. Ans Freiablegen neben anderen Hunden war nicht zu denken. Er brachte es nicht fertig, auch nur eine Minute zu liegen. Sex beherrschte seine Gedanken! Er machte auch vor Menschen keinen Halt. Er beschnupperte deren „Allerwertesten“, was vor allem bei der Kundschaft von Michi äusserst peinlich war. Die Spaziergänge mit Ewok wurden teilweise zur Qual. Er lief viel zu weit weg und folgte den Spuren von anderen Hunden. Markieren wurde zum Inhalt und Gehorsam zum Fremdwort.

Es war ein Frühlingsmorgen, als Ewok mich aufweckte. Beim genauen Hinsehen entdeckte ich, dass er Urin tröpfelte. Ewok’s Gesichtsausdruck war mir fremd und erschreckte mich. Er sah aus, als ob er Schmerzen hätte. Ich entdeckte, dass sein Penis steif, hart und übermässig dick war. Ich wollte mit ihm Gassi gehen, aber Ewok blieb einfach stehen und bewegte sich nicht. Er zeigte keinerlei Interesse für sein Stofftier oder Leckerli. Mir blieb nichts anderes übrig, als zum Tierarzt zu gehen, denn die Situation war neu für mich.

Der Tierarzt vermutete einen Harnweginfekt. Aber nichts änderte sich. Nachdem sich Ewok wiederholt nicht vom Fleck rührte, suchten wir den Tierarzt nochmals auf. Dieser stellte nun fest, dass die Hormone verrückt spielten. Dieses Phänomen trete bei den Rüden hauptsächlich im Frühling auf. Der Tierarzt riet uns zu einer Hormonspritze. Er klärte uns über den ganzen Vorgang auf, wie sich Ewok vermutlich verhalten würde nach der Abreichung der Hormonspritze. Da sich eine solche Spritze auswirkt wie eine Kastration, sollte dies zugleich ein Test sein, ob eine eventuelle Kastration die gewünschten Ergebnisse bringen würden oder nicht. Die Wirkung der Hormonspritze hält in der Regel mindestens zwei Monate. Wir hofften auf den Sommer, wo alles wieder normal sein würde. Die Spritze wirkte wirklich hervorragend. Ewok konnte sich wieder entspannen und jammerte nicht mehr. Er spielte wieder mit anderen Hunden und die Spaziergänge wurden wieder zum Vergnügen.

Nach zwei Monaten liess die Wirkung tatsächlich nach. Die Sache begann von vorne. Jetzt fing er auch an, Rüden, welche an der Leine geführt wurden, anzuknurren. Wir entschlossen uns für eine weitere Spritze. Kastration wurde wieder zu einem Thema!

Verschiedene Meinungen

Es gab Bekannte, welche sehr gute Erfahrung mit der Kastration gemacht haben und dies jederzeit wieder tun würden. Bei anderen war es überflüssig, da sich ihre Rüden nicht so extrem verhalten wie dies Ewok tat. Folgende Aussagen hörten wir immer wieder und standen für uns im Vordergrund:

  • Es ist dem Hund nicht gedient, wenn er einen so grossen Trieb verspürt, ihn aber nicht ausleben kann. Die Möglichkeit, dass es im Verlauf der Jahre noch schlimmer wird ist absolut gegeben.
  • Es ist ein schlimmer Eingriff gegen die Natur. Es ist einfacher, einen Rüden zu kastrieren, als ihn konsequent zu erziehen. Das Fell wird matt und ist nicht mehr schön. Der Hund wird auch zunehmen.

Es stimmt, Ewok konnte seinen Trieb nicht ausleben. Auch seine Freude am Spielen mit anderen Hunden, sowie das Arbeiten auf dem Hundeplatz wurde fast unmöglich. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und waren auch immer hin und her gerissen. Es war ursprünglich ein Wunsch von uns, Ewok zum Papa zu machen. War es unter diesen Voraussetzung wert? Sollten wir jahrelang Spritzen machen lassen? Oder sollten wir uns zu der einmaligen Operation entschliessen? Auch die Kostenfrage musste geklärt werden, denn die Spritzen haben ihren Preis. Ob Ewok nach der Kastration zunehmen würde oder nicht lag ganz in unseren Händen. Ewok mit einem matten Fell? Vielleicht, aber wir lieben unseren Hund, egal wie er aussieht!

Entscheidung

Es war Sommer und wir hielten uns mit Ewok am Rhein auf wie viele andere Hundebesitzer mit ihren Hunden. Ewok die Wasserratte liess den Rhein links liegen. Er zeigte nur Interesse für die anwesenden Hunde. Er wollte alles Weibliche und Kastrierte besteigen. Es wurde für alle Anwesenden unerträglich. Wir wussten die Spritze wurde wieder fällig.

Nach monatelangen Überlegungen, Diskussionen und lesen von Fachliteratur entschlossen wir uns nun zur Kastration. Der Tag am Rhein hatte die letzten Zweifel vertrieben.

Er rückte näher, der Tag der Operation. Haben wir richtig entschieden? Wir schauten Ewok an. Er machte einen glücklichen Eindruck und er begrüsste auch den Tierarzt wie immer. Ewok bekam seine Beruhigungsspritze und wir wurden nach Hause geschickt. Es wurden vier lange Stunden und uns kamen gemischte Gefühl hoch. Als dann der erlösende Anruf aus der Tierarztpraxis kam, ging es uns deutlich besser. Ewok begrüsste uns und war glücklich uns wieder zu sehen.

Heute

Ein Monat ist seit der Kastration vergangen. Ewok muss deutlich weniger Gassi gehen. Das Markieren alle zwei Meter gehört der Vergangenheit an und die Hundeschule macht auch wieder richtig Spass. Er spielt wieder mit anderen Hunden, egal ob Männlein oder Weiblein. Es ist für ihn vieles schöner geworden, auch wenn noch nicht alles ganz gut ist. Wir wissen, wir müssen mit einem halben Jahr rechnen bis die Kastration „wirkt“. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Die Lebensqualität hat sich für Ewok entschieden verbessert und davon profitieren wir auch.

© Sabrina Baumann ’03